Der Stiftung für Patientensicherheit gemeldeter Original-Fehlerbericht
„Wir berichten von einer älteren Patientin, welche während zwei Wochen einen zentralen Subclaviakatheter hatte. Dieser wurde in halbsitzender Position gezogen und die Punktionsstelle mit einem wasserdurchlässigen Verband (Mepore) verschlossen. Kurz nach Entfernung des ZVK’s bückte sich die Patientin um persönliche Sachen zu ordnen.
Etwa drei Minuten später klagte sie über plötzliches Unwohlsein und Dyspnoe bevor sie bewusstlos wurde. Ein Reanimationsalarm wurde ausgelöst und das Reanimationsteam stellte eine massive Desaturation sowie einen Schockzustand fest, ohne eigentlichen Kreislaufstillstand. Die Auskultation ergab ein rauschendes Geräusch, welches mit Gasblasen im Blut vereinbar ist.
Wir brachten die Patientin in Seiten- und Anti-Trendellenburglage. Zudem erhielt sie Sauerstoff mit einer Maske. Aufgrund einer raschen klinischen Besserung sahen wir von einer Intubation ab, verlegten sie aber aus Sicherheitsgründen auf die Intensivstation. Sie konnte bald darauf komplikationslos entlassen werden.
Diagnostisch hielten wir eine Luftembolie nach Ziehen eines zentralen Venenkatheters als wahrscheinlich.
Eine Literaturrecherche ergab nur sehr wenige Artikel, obwohl dieses Phänomen sehr wohl beschrieben ist.
In der Diskussion mit ärztlichen Kollegen und Pflegefachpersonen stellten wir mit Erstaunen fest, dass kaum jemand diese Komplikation kannte und dass keine entsprechenden Leitlinien für die Entfernung von Zentralvenenkathetern existierten.“
Expertenkommentar
Zentrale Venenkatheter (ZVK) sind aus dem Alltag der Anästhesisten und Intensivmediziner nicht mehr wegzudenken. Sie erlauben die Verabreichung verschiedener Medikamente, ermöglichen Blutentnahmen und invasives Monitoring und sind notwendig für Therapien wie z.B. Dialyse oder Hämofiltration. Die Gefahren und Risiken beim Einlegen der zentralen Venenkatheter sind bekannt und alle Vorsichtsmassnahmen werden getroffen um mögliche Komplikationen zu vermeiden. Dank der Anwendung des Ultraschalls zur Gefässpunktion lässt sich die Morbidität dieses Eingriffs senken. Weniger bekannt ist, dass auch durch das Entfernen der Katheter Komplikationen auftreten können wie z. B. eine Luftembolie. Diese sind zwar relativ selten, aber wenn sie auftreten sind sie mit einer hohen Morbidität und Mortalität verbunden.
Der Körper erkennt einen ZVK als Fremdkörper und reagiert mit Fibrinablagerungen entlang des Katheters. Beobachtungen nach Entfernung von ZVK haben gezeigt, dass dadurch ein regelrechter Kanal entstehen kann. Je länger die Liegedauer und je grösser der Durchmesser eines Katheters ist desto besser sind diese Kanäle geformt. Bereits nach 24 Stunden kann ein Kanal entstehen durch welchen nach dem Entfernen des Katheters ausreichend Luft eintreten kann um eine signifikante Luftembolie zu verursachen.
Für die Entfernung eines zentralen Venenkatheters sollte die Thrombozytenzahl > 50 x 109/l sein, der INR-Wert < 1,5 liegen und die Verabreichung der letzten Dosis eines LMWH (low molecular weight heparin) zur Thromboseprophylaxe > 12 Stunden zurückliegen (> 18 Stunden bei einer therapeutischen Dosierung).[2] Durch eine flache oder leichte Trendelenburglagerung des Patienten zur Entfernung des ZVK wird das negative Druckgefälle zwischen der Vena cava und der Einstichstelle aufgehoben oder sogar positiv, so dass keine Sogwirkung entsteht und eine Luftembolie verhindert wird. In der oben beschriebenen Fehlermeldung wurde keine Trendelenburglagerung durchgeführt. Nach der Entfernung des Katheters wird der Kanal vom Körper in einem Heilungsprozess wieder verschlossen, ebenso die Eintrittsstelle ins Gefäss. Dieser Vorgang benötigt Zeit.
Es wird deshalb empfohlen den Patienten unmittelbar nach der Entfernung einen Moment flach zu lagern, die Einstichstelle zu komprimieren und dann für 24 – 48 Stunden luftdicht zu verschliessen. Der Patient sollte wenn immer möglich nicht husten, weil dadurch das frisch gebildete Koagel welches das Gefäss von innen verschliesst mobilisiert werden kann und auch der Stichkanal sich langsamer zurückbildet.[4,5] Zudem erfolgt auf einen Hustenstoss oft eine tiefe Inspiration wodurch eine Sogwirkung erzeugt wird mit der Gefahr der Luftaspiration.
Besonders gefährdet für eine Luftembolie sind schlanke und kachektische Patienten, da bei ihnen der Stichkanal zum Gefäss in der Regel kurz ist und sich wenig subkutanes Fettgewebe findet das nach der Katheterentfernung mithilft den Kanal zu verschliessen. Verwendet man ein Ultraschallgerät zur Punktion eines ZVK ist ebenfalls ein sehr direkter, kurzer Zugang zum Gefäss möglich.
Dehydrierte Patienten haben einen tiefen zentralen Venendruck (ZVD) wodurch die Sogwirkung steigt und die Gefahr der Luftaspiration durch den vorhandenen Stickanal erhöht wird (ein zusätzlicher Grund, weshalb eine Dehydration vermieden werden sollte).
Wichtig ist, dass man mit dem Problem vertraut ist und die klinischen Zeichen rechtzeitig erkennt. Bei den Fallberichten in der Literatur wurden die Katheter oft in sitzender oder halbsitzender Lage der Patienten entfernt, nicht selten von einer Person, die sich der möglichen Gefahren nicht bewusst war. Mit klaren Anweisungen zum Vorgehen beim Entfernen von zentralen Venenkathetern lassen sich Komplikationen wie eine Luftembolie vermeiden. Leider fehlen vielerorts solche einfachen Handlungsanweisungen.
Empfehlungen zur Vermeidung einer Luftembolie:
- Gerinnung im Normbereich halten bzw. wenn immer moglich korrigieren (Ziel: Tc-Zahl > 50 G/l; INR < 1.5).
- Idealer Zeitpunkt fur die Entfernung eines ZVK: 1. Stopp Thromboseprohylaxe mit LMWH (low molecular weight heparin) > 12 h; 2. Stopp Therapie mit LMWH > 18 h; 3. Stopp Thromboseprophylaxe mit UFH (unfractionated heparin) > 2-4 h
- Luftdichter Verschluss der Lumina samtlicher Konnektoren (Verschlusskappe, Verschlusshahn), so dass keine Aspiration von Luft durch die Konnektionsstellen in das Gefasssystem möglich ist.
- Bei sehr dicken ''Schleusen'' sollte die Möglichkeit der ''chirurgischen'' Entfernung mit einer anschliessenden Naht berücksichtigt werden.
- ZVK Entfernung in Horizontallage des Patienten. Wenn immer möglich ZVK nicht in sitzender Position entfernen!
- Leichte Trendelenburglage (10 - 30 Grad Oberkörpertieflage) bei dehydrierten Patienten (tiefer zentralvenöser Druck erhöhte Sogwirkung).
- Katheter in Exspiration entfernen oder wahrend eines Valsalvamanövers.
- Husten beim Patienten wenn möglich vermeiden.
- Komprimierung der Einstichstelle nach Entfernen des Katheters wahrend 5 - 10 Minuten.
- Anlegen eines luftdichten Verbands fur 24 - 48 Stunden nach Entfernen des Katheters.
- Patienten nach Entfernung des ZVK während 30 - 60 Minuten flach liegen lassen.
- Bei Verdacht auf Luftaspiration:
- 1. allfälligen weiteren Lufteintritt sofort stoppen
- 2. Patient so schnell wie moglich in flache Rückenlage bringen, ggf. Linksseitenlage
- 3. zentralen Venendruck erhöhen ( - Valsalva; - Volumenzufuhr)
- 4. Gabe von 100% Sauerstoff
- 5. Gabe von Katecholamienen
- 6. bei kardiopulmonalem Kollaps - Reanimation
- 7. ggf. hyperbare Sauerstoff-Therapie
- Möglichst kurze Liegedauer des ZVK'ls: nach langer Liegedauer schliesst sich der Kanal langsamer.
- Beim Legen des ZVK: kleinstes notwendiges Lumen wählen: die Gefahr der Luftaspiration und weiterer Komplikationen steigt mit grosseren Lumina: z.B. bei Schleusen fur Pulmonaliskather.
Merke:
- 1. ZVK-Entfernung bei korrigierter Gerinnung!
- 2. ZVK-Entfernung in Horizontallage des Patienten!
- 3. Nach ZVK-Entfernung Einstichstelle 5-10 Min. komprimieren und 24-48 Std. luftdicht verschliessen!
- 4. Bei Kreislaufkollaps und Rea-Situationen immer auch an die Möglichkeit einer Luftembolie durch die Entfernung eines ZVK’s denken!