Die meisten Zwischenfälle in der Medizin sind vermeidbar. Mit über 70 Prozent ist der sogenannte „Human Factor“ die größte Fehlerquelle: Es mangelt nicht an Fachwissen, sondern das medizinische Personal hat Probleme beim Umsetzen in die Realität. Insbesondere bei Notfällen können Stress, Unübersichtlichkeit oder fehlende Kommunikation die Sicherheit des Patienten gefährden. Wie gezielte Personalschulung – in Form von Simulationstrainings – Risikofaktoren mindern können, präsentieren Experten auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) vom 26. bis 29. Oktober 2010 in Berlin.
Zeitdruck und Informationsaustausch unter schwierigen Bedingungen gehören für den Mediziner zum Arbeitsalltag. Auch wenn Abläufe scheinbar bereits „im Schlaf“ beherrscht werden, sind solche Risikofaktoren allgegenwärtig. „Fehlerhafte Behandlungsabläufe sind nicht die Folge von mangelndem Fachwissen, sondern von Problemen bei der Umsetzung“, so Professor Dr. med. Norbert Südkamp, Tagungspräsident des DKOU 2010 und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Die Notfallversorgung sei kein statischer Zustand, sondern müsse durch regelmäßiges Training geschult werden.
Schwierig wird es in der Praxis insbesondere dann, wenn verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten. Ist ein schwerverletzter Patient im Schockraum, muss die Kommunikation zwischen allen Akteuren sofort funktionieren. „In der Medizinausbildung liegt der Fokus zurzeit noch viel zu wenig auf der Kommunikation“, meint Südkamp. Seit Kurzem bietet deshalb die von der DGU gegründete Akademie der Unfallchirurgie GmbH (AUC) jetzt auch Kurse an, bei denen interdisziplinäre und interprofessionelle Teamarbeit geübt wird. Dabei treffen alle beteiligten Akteure, nämlich Notarzt und Rettungssanitäter, Anästhesist und Anästhesiepflege, Unfallchirurg und unfallchirurgische Pflege zusammen.
Durch Simulationstrainings, die den Ernstfall durchspielen, haben bereits Verbesserungen in der Notfallmedizin, Erstversorgung und Intensivmedizin zu einer nachhaltigen Abnahme von vermeidbaren Fehlerquellen geführt. Schockraum-Simulationstrainings berücksichtigen Risikofaktoren wie Stress und Zeitdruck und schaffen so eine realitätsnahe Situation des Personals in Notaufnahmen. In Teams werden Fallbeispiele durchgespielt und anschließend analysiert. Mit Hilfe von Videomitschnitten oder Beobachtungen können Verfahrensweisen optimiert und gelungene Umsetzungen verinnerlicht werden. „Ziel dieses Notfallmanagements ist es, den Risikofaktor Mensch durch den Sicherheitsfaktor Mensch zu ersetzen“, erläutert Südkamp.
Informationen im Internet:
Das „Weißbuch der Schwerverletztenversorgung“ der DGU liefert Empfehlungen zur Struktur, Organisation und Ausstattung der Akutversorgung von Patienten >>
Die Akademie der Unfallchirurgie GmbH (AUC) bietet auch bundesweit mit einem mobilen Team ein Training vor Ort an >>