So kommen gebrochene Herzen nicht nur in Kitschromanen vor, sondern sind auch ein Thema für Kardiologen.
Fallbeispiel
In einer der unten genannten Quellen wir folgendes Fallbeispiel berichtet:
Rettungseinsatz in Hildesheim – Die Patientin klagt über starke, drückende Schmerzen in der linken Brust, welche plötzlich und unerwartet auftraten. Ausserdem äussert sie schlecht Luft zu bekommen. Erste Diagnose des Rettungsarztes: Herzinfarkt. Noch im Rettungswagen wird ein EKG erstellt, das keinen Zweifel offen lässt. Die Patientin wird in eine Klinik gebracht, die sich auf Herzinfarkte spezialisiert hat (Bernwart Krankenhaus). Das Spezialistenteam möchte sich mit dem Röntgengerät ein Bild vom Herzinfarkt machen. Bei der Patientin wird ein Katheter durch eine Arterie geschoben und ein Kontrastmittel in Richtung Herzen gespritzt, um sichtbar zu machen, wo die Gefässe verstopft sind. Doch dann die Überraschung für das Team: Bei der Patientin sind alle Gefässe offen und werden normal durchblutet. Von Verstopfung keine Spur. Bei einem normalen Herzinfarkt, welcher nach vorhandenen Symptomen wie z.B. Luftnot und charakteristischem EKG diagnostiziert wird, verstopfen die Herzkranzgefässe. Dadurch wird der Herzmuskel nur noch unzureichend durchblutet, wodurch Teile des Muskels unwiderruflich absterben.
Kein Infarkt was dann? Eine mögliche Spur ist, dass die Patientin vor den Symptomen einen Schock erlitten hat. Sie hatte sich vor einen angreifenden Kampfhund geworfen, um ihrem geliebten Hund das Leben zu retten. Der behandelnde Arzt erinnert sich an eine gelesene Studie aus den USA. Darin werden 19 Fälle von Patienten/-innen beschrieben, die an einer stressbedingten Kardiomyopahtie litten, also dem so genannten „broken heart syndrom“. Das Einzige, was die Studienteilnehmer/-innen gemeinsam haben ist, dass sie alle einen gewaltigen Schock erlitten z.B. ein Autounfall oder ein bewaffneter Überfall, bevor plötzlich die Infarktsymptome einsetzten. Eine weitere Untersuchung verschafft dem Arzt Klarheit. Das Behandlungsteam injiziert der Patientin eine grosse Menge eines Kontrastmittels direkt in die linke Herzkammer. Da wird Folgendes sichtbar: Der untere Teil der linken Herzkammer bleibt schlaff.
Demzufolge wurde die Infusion mit den üblichen Infarktmedikamenten gestoppt und das Spezialistenteam lässt der Patientin stattdessen Ruhe. Schon nach wenigen Stunden zeigt eine erneute Ultraschalluntersuchung, dass sich das Herz der Patientin erholt.
Geschichte
Erstmals berichtet wurde über solche gebrochene Herzen oder Tako-Tsubo-Kardiomyopathien, wie sie dort genannt wurden, Anfang der 1990er Jahre in Japan. Damals glaubten die Mediziner allerdings noch, es handle sich um ein rein asiatisches Phänomen.
Epidemiologie
Verlässliche epidemiologische Daten fehlen. Das Wissen stützt sich auf Einzelfallschilderungen und die Beschreibung von Kleinstserien mit wenigen Patienten. Bis Mitte 2006 sind weltweit erst etwa 700 Patientin mit einer Tako-Tsubo-Kardiomyopathie beschrieben worden, davon etwa 400 in Japan. Etwa 150 jeweils in Europa und Nordamerika. Auch über Fälle in Australien und Südamerika wurde berichtet, sodass von einer weltweiten und bislang unterschätzten Verbreitung ausgegangen wird. Deshalb gibt es auch noch kaum Daten zur Langzeitprognose und auch die Mortalität kann nur geschätzt werden. Auffallend ist, anders als beim Herzinfarkt, trifft das gebrochene Herz fast ausschliesslich ältere Frauen, die meist zwischen 50 und 70 Jahre alt sind. Warum dies bislang so ist, kann jedoch niemand sagen.
Ursachen
Das Krankheitsbild, dass „Gebrochenes Herz“, „Broken-Heart-Syndrom“ oder „Stress-Kardiomyopathie“ genannt wird, ist erst seit wenigen Jahren bekannt und Kardiologen rätseln noch immer was genau dahinter steckt. Im Gegensatz zum Herzinfarkt gibt es für die Stress-Kardiomyopathie einen klaren Auslöser, der nach bisherigem Wissen ein aussergewöhnlicher Stressfaktor ist. Starke Anspannung, ein Autounfall, ein heftiger Streit oder eine schlimme medizinische Diagnose können Auslöser sein - genauso wie der Tod eines nahestehenden Menschen. Der Zusammenhang mit der emotionalen Ausnahmesituation war es, der der Krankheit ihren bildhaften Namen eingebracht hat.
Pathophysiologie
Auch die Entstehung und Entwicklung konnte noch nicht komplett geklärt werden. Bekannt ist, dass durch einen Schock im Herzen die Menge der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin in astronomische Höhen schiesst und der untere Teil der linken Herzkammer einfach aufhört sich zu bewegen.
Im Gegensatz zum Infarkt, bei dem Teile des Muskelgewebes unwiderruflich absterben, heilen gebrochene Herzen meist von selbst wieder vollständig. Und das Herz wird nach bisherigen Erkenntnissen nicht dauerhaft geschadet.
Joachim Weil formulierte es so: „Das Herz schläft praktisch nur.“
Symptome und Diagnostik
Die Symptome sind dieselben wie bei einem Herzinfarkt. Charakteristisch sind plötzlich beginnende, heftige Brustschmerzen (Anginga Pectoris) und Luftnot (Dyspnoe). Das EKG zeigt die für einen Infarkt typischen Veränderungen. Im Röntgenbild sind keine wesentlichen Verengungen der Herzkranzgefässe sichtbar. Jedoch ist beim Kontrastmittelultraschall erkennbar, dass die linke Herzkammer praktisch nicht mehr arbeitet. Häufig wird das gebrochene Herz nicht als solches erkannt, weil das Syndrom auch unter den Ärzten noch unbekannt ist, oder weil nicht daran gedacht wird und demzufolge keine zusätzliche Untersuchung der Herzkammer vorgenommen wird. Ausserdem ergibt erst die Kombination mehrerer ungewöhnlicher Befunde Hinweise auf das Syndrom.
Therapie
Mangels entsprechender Therapiestudien gibt es keine, durch objektive Daten abgesicherte Standardtherapie des gebrochenen Herzens. Von zentraler Bedeutung scheint jedoch, aufgrund der hohen Komplikationsrate, die Monitorüberwachung im Akutstadium. Da als Ursache oftmals ein hoher Ketacholaminspiegel (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, etc.) angesehen wird, wird zu einer möglichst weitgehenden Zurückhaltung bei der Zufuhr weiterer Ketacholamine geraten. Für Patienten im Schock wird eine vorsichtige Volumenzufuhr empfohlen.
Komplikationen
Obwohl sich das Herz in der Regel innerhalb von Wochen vollständig erholt und die Prognose bei den meisten Patienten günstig ist, handelt es sich nicht um ein harmloses Syndrom. Denn es ist eine ausgeprägte Funktionsstörung des Herzens, inklusiv den damit verbundenen Problemen. Gar nicht selten kommt es nach der Einlieferung zu Komplikationen wie einem Schock, Rhythmusstörungen oder Kammerflimmern. Dies ist auch der Grund, warum die Patienten und Patientinnen immer zuerst auf die Intensivstation zur Beobachtung kommen. Auch Todesfälle sind bereits bekannt, wobei deren Häufigkeit mit geschätzten einem bis acht Prozent signifikant niedriger liegt als beim Herzinfarkt mit nahezu fünfzig Prozent.
Quellen:
Gebrochenes Herz: Traumatisches Erlebnis kann scheinbaren Herzinfarkt verursachen >>
Das Broken-Heart-Syndrom >>
Weitere Literatur:
Perel L, Mekori Y, Mor A. [The broken heart syndrome]. Harefuah. 2009
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Villarroel AH, Vitola JV, Stier AL Jr, Dippe T Jr, Cunha C. Takotsubo or
stress cardiomyopathy: role of nuclear cardiology using (123)I-MIBG. Expert Rev
Cardiovasc Ther. 2009 Jul;7(7):847-52. Review. PubMed PMID: 19589120.