Denn auch mit kognitiver Verhaltenstherapie, mit Medikamenten oder einer Kombination aus beidem erreichen nicht alle „Zappelphilipps“ ein normales Leistungsniveau. Manche Kinder profitieren aber davon, wenn die ADHS-Behandlung durch ein so genanntes Neurofeedback-Training ergänzt und unterstützt wird. Wie diese Methode funktioniert, erläutert die Stuttgarter Medizinerin und Ergotherapeutin Dr. Edith Schneider in der Fachzeitschrift „ergopraxis“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2010).
„Beim Neurofeedback steht das Zentrale Nervensystem im Vordergrund der Behandlung“, erläutert Edith Schneider. Während der Therapie werden die EEG-Wellen des Gehirns erfasst. Sie verändern sich in charakteristischer Weise, je nachdem wie stark der Patient sich konzentriert und wie aufmerksam er ist. Die Hirnstromkurven dienen als Rückmeldung an den Patienten, weshalb das Neurofeedback auch als EEG-Biofeedback bezeichnet wird.
Das Ziel der Behandlung ist, dass der Patient Kontrolle über die aufmerksamkeitssteuernden Regelkreise im Gehirn erlangt. Zwar sind die Vorgänge im Gehirn noch nicht im Detail erforscht, betont Schneider. In mehreren Studien habe sich jedoch gezeigt, dass bei Kindern mit ADHS oft viel mehr langsame Gehirnwellen, so genannte Thetawellen, vorhanden sind als schnelle Betawellen. „Entgegen dem äußeren Eindruck sind die Kinder also quasi untererregt und versuchen, sich durch ihre Hyperaktivität wach zu halten“, erläutert die Stuttgarter Medizinerin. Während des Neurofeedback-Trainings versuchen die Patienten daher, das Erregungsniveau ihres Gehirns und somit die Aufmerksamkeit gezielt zu beeinflussen. Dadurch verringern sich die langsamen Wellen, während mehr schnelle Wellen produziert werden.
In der Praxis läuft eine Trainingssitzung so ab: Dem Patienten werden – völlig schmerzlos – mehrere Elektroden auf die Kopfhaut geklebt, über die das EEG abgeleitet wird. Während die Therapeutin die EEG-Wellen auf dem Monitor beobachten kann, sieht der Patient auf einem anderen Computer-Bildschirm lediglich ein Symbol. Dieses Symbol soll er nach oben oder nach unten bewegen. Gesteuert wird es aber allein durch ein bestimmtes EEG-Merkmal – hier durch die langsamen kortikalen Potenziale, ein Maß für das Erregungsniveau des Gehirns.
Auch in Bezug auf andere Merkmale der Hirnstromkurve unterscheiden sich ADHS-Patienten oft von unauffälligen Kindern – und auch diese Merkmale, etwa eine zu hohe Aktivität der Frontalregion, können durch das Neurofeedback gezielt beeinflusst werden. Entsprechend wird jeder Patient gemäß einem individuell zugeschnittenen Neurofeedbackprotokoll behandelt Im Rahmen der Therapie, für die in der Regel mindestens 30 bis 40 Sitzungen veranschlagt werden, lernt der Patient also, völlig unbewusst ablaufende Vorgänge im Gehirn unter bewusste Kontrolle zu bringen.
„Studien haben gezeigt, dass Kinder, die die Aktivierung des Gehirns erlernen, sich besser konzentrieren können, sich Dinge besser merken und mehr Durchhaltevermögen bei den Hausaufgaben zeigen“, resümiert Edith Schneider. Auch seien die während der Therapie erzielten Veränderungen nachhaltig, hätten also auch ohne weiteres Training Bestand.
Edith Schneider weist auf einen weiteren Vorteil des Neurofeedbacks hin: Im Gegensatz zu den gängigen Medikamenten hat das Training, wenn es richtig angewandt wird, keinerlei Nebenwirkungen. Meist trainieren die Kinder zudem wirklich gerne – anfangs, weil das Computerspiel neu ist und der spielerische Ablauf den Kindern entgegenkommt. Aber auch wenn der Reiz des Neuen bereits verflogen ist: Nach Edith Schneiders Erfahrung macht das Training den Kindern spätestens dann wieder Spaß, wenn sich erste Erfolge einstellen und sie in der Schule und im Alltag weniger Probleme haben.
Quelle:
E. Schneider: Der PC als Therapeut. ergopraxis 2010; 3 (3): S. 24-27