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Möglichst kurze Nüchternphase nach Operationen fördert die Heilung
Nach einer Operation ist es das Ziel, den Patienten so schnell wie möglich wieder aus dem Spital entlassen zu können.

Früher versuchte man, durch eine längere Nüchternphase nach der Operation, die Genesung zu beschleunigen. Neuerdings weiss man aber, dass eine rasche Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr von grosser Bedeutung für den Heilungsprozess ist. Somit sollte die Nüchternphase nach Operationen so kurz wie möglich gehalten werden. Doch welche positive Wirkung hat eine kurze Nüchternphase?


Primär ist es wichtig zu wissen, dass der Körper auf die Zufuhr von Nährstoffen angewiesen ist, da dieser ansonsten in den Hunger- und nachfolgend in den Fastenmechanismus übergeht und dadurch beginnt körpereigene Substanz abzubauen. Dies geschieht als letzte Rettung für die Aufrechterhaltung des Stoffwechsels. Gerade nach Operationen sollte nun aber kein Abbau von körpereigenen Substanzen (z.B. Muskel) stattfinden, sondern eher ein Aufbau. Nur dadurch kann der Körper rascher genesen und die Spitalentlassung kann früher erfolgen. Was geschieht nun aber genau in einem Hunger- und Fastenzustand im Körper?


Stoffwechsel im Hungern und Fasten

Die gesamten Glykogenvorräte (Glykogen = Speicherform der Glukose in Leber und Muskel) werden in den ersten 24 Stunden aufgebraucht, was zur Folge hat, dass die roten Blutkörperchen, die Nieren und das zentrale Nervensystem, die nur Glukose als Energielieferant nutzen können, nicht mehr ausreichend versorgt werden können.
Um einen minimalen Bedarf an Glukose sicherzustellen, stellt der Körper auf Glukoneogenese (Bildung von Glukose in der Leber) um. Dafür werden Fett- und Proteinspeicher abgebaut, da es für die Bildung von Glukose Aminosäuren und Fettsäuren (Glycerin) benötigt. Durch den abgesunkenen Insulinspiegel im Blut beginnt der Körper die Speichersubstanz im Fettgewebe abzubauen und setzt so Glycerin und Fettsäuren frei. Die Fettsäuren werden in den Muskeln, dem Herzen und der Niere zu Kohlendioxid oxidiert und liefern somit benötigte Energie. Ein wesentlich kleinerer Teil der Fettsäuren wird von der Leber zu Ketonkörpern und einem geringen Anteil Kohlendioxid umgewandelt. Die Ketonkörper werden von der Leber in das Blut abgegeben und dienen allen Geweben ausser der Leber selbst zur Energieversorgung. Ketonkörper sind somit eine Form von Energie, welche als letzte Rettung vom Körper produziert wird.


Im Muskel werden täglich 75g Proteine abgebaut, welche anschliessend fast ausschliesslich der Leber zugeführt und dort zu 60% in Glucose umgewandelt werden (Glukoneogenese). Der Rest wird zu CO2 und der ausfallende Stickstoff wird zu Harnstoff verstoffwechselt, welcher ans Blut abgegeben und über die Niere ausgeschieden wird. In so einer Phase wird eine erhebliche Menge an Harnstoff gebildet. Die glukoseabhängigen roten Blutkörperchen und das zentrale Nervensystem werden zu Lasten der Muskelproteine versorgt.


Genau wegen all diesen Mechanismen und Vorgängen nimmt der Mensch im Hungern und Fasten an Fettmasse ab, was zum Beispiel bei einer Fastenkur das gewünschte Ziel ist. Wenn man aber bedenkt, das für diesen Effekt auch Muskelproteine verloren gehen und sich der Körper in einer „Notlage“ befindet, wird klar, weshalb Fastenkuren nicht empfohlen werden können.


Der Körper nach einer Operation

Nach einer Operation reagiert der Körper mit einer Reihe von Stressreaktionen, welche durch die Ausschüttung von Stresshormonen und Zytokinen zum Abbau (Katabolie) von Glykogen, Fett und Proteinen führen. Das bedeutet, dass der Körper nach der Operation stressbedingt sowieso schon katabol ist, dass heisst sich im Abbau befindet. Damit der Körper sich nun dennoch erholen kann, setzt er einige Mechanismen ein. So steigt zum Beispiel der Blutzuckerspiegel an, während freie Fettsäuren und Aminosäuren parallel dazu freigesetzt werden. Dies liefert dem Körper die nötigen Substrate um Wundheilung und Immunantwort zu bewältigen, welches beide anfallende Aufgaben des Körpers nach einer Operation sind. Bei längerer Dauer dieser Phase, werden die Substrat-Ressourcen knapp und die Sicherung des normalen Stoffwechsels kann nicht aufrecht erhalten werden. Denn um eine optimale Genesung zu gewährleisten, benötigt der Körper einen anabolen Metabolismus, in welchem Körpersubstanz aufgebaut wird und nicht einen katabolen, bei welchem Köpersubstanz abgebaut wird. Wird nun keine Nahrung zugeführt, so resultiert eine negative Energiebilanz und es kommt zu einem Abbau an Körpersubstanz. Leider ist es häufig der Fall, dass eine Mangelernährung in der Klinik unerkannt bleibt. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit einer Infektion während einer postoperativen Phase deutlich an womit schliesslich auch die Verweildauer im Krankenhaus verlängert wird.


Studien konnten belegen, dass gewisse Massnahmen vor, während und nach einem operativen Eingriff zu einer besseren und schnelleren Erholung beitragen (perioperative Massnahmen).
Diese Massnahmen werden „Enhanced Recovery After Surgery“-Konzepte  (ERAS-Konzepte) oder auch „fast-track“ genannt und beinhalten unter anderem das Prinzip, den Nahrungsentzug nach einem operativen Eingriff so kurz als möglich zu halten und innerhalb von 24 mit der oralen Nahrungszufuhr fortzufahren. Dadurch kann eine Stabilisierung des Organismus erreicht werden, da die Entwicklung einer postoperativen Insulinresistenz verhindert wird. Insulinresistenz zeichnet sich dadurch aus, dass der Körper nicht mehr auf das Hormon Insulin reagiert. Sie entsteht fast bei allen operativen Eingriffen wenige Stunden nach Beginn einer Operation und kann nach dem Eingriff stark ausgeprägt sein. Zusätzlich hängt das Ausmass auch davon ab, wie stark die Ausprägung des Gewebetraumas ist.


Bei einer schnell wieder aufgenommenen Nahrungszufuhr wird also der Proteinabbau verhindert, aber auch der oxidative Stress. Es gibt jedoch Angaben, dass verschiedene Organfunktionen verbessert werden können. Als Folge korrelieren diese Massnahmen mit einem gesteigerten postoperativen Wohlbefinden, geringerem Muskelschwund, verbesserter Muskelkraft, Reduktion postoperativer Komplikationen und einer signifikant verkürzten Aufenthaltsdauer auf Intensivstation sowie des gesamten Spitalaufenthaltes. Ausserdem hat sich gezeigt, dass auch postoperatives Fasten selbst einen Stressfaktor darstellt und den Körper zusätzlich belastet. Eine rasche Nahrungszufuhr nach einem Eingriff trägt zu einer Stabilisierung des Gesamtorganismus bei.


Quellen:

Salski, H. K., & Adam, O. (Eds.) (2004). Ernährungsmedizin: Nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer ; 303 Tabellen (3., erw. Aufl.). Stuttgart: Thieme. Seite 273

J. P. Breuer, C. H. C. S. von (2006). Reduktion der präoperativen Nahrungskarenz Potenzial zur metabolischen Konditionierung. Retrieved November 19, 2009

Jungermann, K., & Möhler, H. (Eds.) (1984). Biochemie: : ein Lehrbuch für Studierende der Medizin, Biologie und Pharmazie (Unveränd. Nachdr. der 1. Aufl.). Berlin: Springer. S.245-246

Kasper, H., & Burghardt, W. (Eds.) (2009). Ernährungsmedizin und Diätetik: [mit dem Plus im Web ; Zugangscode im Buch] (11., überarb. Aufl.). München: Elsevier Urban & Fischer. S.599

Kreutzig, T. (Ed.) (1997). Biochemie: Kurzlehrbuch zum Gegenstandskatalog 1 mit Einarbeitung der wichtigen Prüfungsfakten (9., aktualisierte Aufl.). Lübeck: Fischer. S.324-325

 

Quelle: Redaktion Pflegeportal

Veröffentlicht: 2012-05-28

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