Klassische Röntgenbilder können Knochen gut von Weichgewebe unterscheiden – Muskeln, Knorpel, Sehnen oder Weichteiltumore sehen in den Bildern aber fast gleich aus. Mit dem Phasenkontrastverfahren, wie es vor wenigen Jahren am Paul Scherrer Institut entwickelt wurde, lassen sich Röntgenbilder erzeugen, in denen auch diese Gewebearten klar unterscheidbar sind. Nun haben Forschende des Paul Scherrer Instituts und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften das Verfahren so weiterentwickelt, dass es in Zukunft so einfach zu handhaben sein wird wie gewöhnliche Röntgenaufnahmen. Die Forschenden erwarten, dass das Verfahren zukünftig helfen wird, in der Arztpraxis Tumore zu erkennen oder am Flughafen gefährliche Gegenstände im Gepäck sichtbar zu machen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forschenden diese Woche in der Online-Ausgabe der Zeitschrift der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften (PNAS – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America).
Im gewöhnlichen Röntgenbild kann man die Knochen besonders deutlich sehen, weil sie Röntgenlicht stärker abschwächen als umliegendes Gewebe – das Röntgenbild ist so gewissermassen ein Schattenbild des Körperinneren. Verschiedene Arten von Weichgewebe schwächen Röntgenlicht aber in ungefähr gleichem Masse ab und sind dadurch nur schwer zu unterscheiden.
Verschobene Phase zeigt Strukturen
Um diese Gewebearten doch zu unterscheiden, machen sich die Forschenden zunutze, dass sich die Gewebe oftmals in einer anderen Eigenschaft unterscheiden – in ihrer Dichte, die auch bestimmt, wie schnell das Röntgenlicht darin vorankommt. Durch die unterschiedliche Dichte kommt es zu einer sogenannten Phasenverschiebung des Röntgenlichts.
Licht ist ja eine Welle. Man kann sich einen Lichtstrahl so denken, dass immer abwechselnd Wellenberge und Wellentäler aufeinanderfolgen. Nun kann man sich vorstellen, dass mehrere Lichtstrahlen parallel an einer Röntgenlichtquelle loslaufen – und zwar „in Phase“, also so, dass etwa die Wellenberge aller Wellen nebeneinander liegen. Laufen die Lichtstrahlen nun alle durch ein Gewebe, das an verschiedenen Orten eine unterschiedliche Dichte aufweist, sind sie danach nicht mehr in Phase, weil sie verschieden schnell durch das Gewebe gelaufen sind. Diesen Phasenunterschied kann man nutzen, um die Struktur des Gewebes zu bestimmen.
Neue Methode auch für die Arztpraxis
Um aus den Phasenunterschieden ein Bild der Gewebestruktur zu bekommen, schicken die Forschenden das Licht durch ein feines Gitter mit Abständen von einigen tausendstel Millimetern, sodass sich die verschiedenen Strahlen überlagern. Aus der Überlagerung bestimmen sie dann die Struktur in einer bisher unerreichten Genauigkeit. Das schweizerisch-chinesische Forscherteam hat nun das Verfahren „Reverse Projection Method – RP“ erarbeitet, mit dem man die Phasenverschiebungen auf eine sehr einfache Weise bestimmen kann.
„Dadurch wird man Phasenkontrastbilder so einfach aufnehmen können wie heute normale Röntgenbilder“, erklärt Marco Stampanoni, Professor für Röntgenmikroskopie am Institut für Biomedizinische Technik der ETH Zürich und Projektleiter am PSI. „Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt zur weiten Nutzung der Phasenkontrastmethode auf Gebieten wie Medizin, zerstörungsfreie Materialuntersuchung oder Sicherheitstechnik, weil sie ähnliche Untersuchungsbedingungen und Algorithmen nutzt wie vorhandene Anlagen.“
Über das PSI
Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1300 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 260 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.
Text von Paul Piwnicki, Meldung von Dagmar Baroke, Abteilung Kommunikation, Paul Scherrer Institut (PSI) vom 23.07.2010