Deshalb lehnt er die parlamentarische Initiative „Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege“ ab, die diesen Systemwechsel fordert.
Das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) unterscheidet zwischen zwei Arten von Leistungserbringern: Ärztinnen und Ärzte wie auch Spitäler sind direkt zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP, Grundversicherung) tätig.
Andere Personen dürfen Leistungen nur im Auftrag oder auf Anordnung eines Arztes oder einer Ärztin erbringen. Dazu gehören Pflegefachpersonen oder Physiotherapeutinnen und Ergotherapeuten.
Die parlamentarische Initiative „Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege“ fordert einen Systemwechsel. Demnach sollen Pflegefachpersonen künftig Abklärungen, Beratungen und Koordination sowie Massnahmen der Grundpflege selbständig, ohne ärztliche Anordnung erbringen und zulasten der OKP abrechnen können. Versicherer könnten mit Pflegefachpersonen einen entsprechenden Vertrag abschliessen. Die zuständigen Kommissionen von Nationalrat und Ständerat unterstützen die Initiative und im Januar 2016 verabschiedete die nationalrätliche Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit eine entsprechende Gesetzesänderung.
Bundesrat lehnt Gesetzesänderung ab
Der Bundesrat hat Verständnis für das Anliegen der Initiative, den Status der Pflegefachpersonen aufzuwerten und die Koordination zu verbessern. Er schlägt jedoch vor, den in der Strategie Gesundheit2020 eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen und beantragt, auf die vorgeschlagene Gesetzesänderung nicht einzutreten.
Der Schlussbericht zum Masterplan Bildung Pflegeberufe hat im Februar 2016 aufgezeigt, dass die Attraktivität und die Anzahl der Ausbildungsabschlüsse im Pflegebereich in den letzten Jahren bereits gestiegen sind. Weitere Massnahmen zur Stärkung der Pflege sind geplant, zum Beispiel die Einführung des Gesundheitsberufegesetzes oder das im März 2016 beschlossene Förderprogramm „Interprofessionalität im Gesundheitswesen 2017-2021“. Mit diesen Massnahmen soll sichergestellt werden, dass die Schweiz künftig über mehr und gut qualifizierte Gesundheitsfachpersonen verfügt. Nach Ansicht des Bundesrates sind damit wichtige Forderungen der parlamentarischen Initiative erfüllt.
Die koordinierte Versorgung wiederum soll weiter mit gezielten Projekten gestärkt werden. Im Rahmen von Gesundheit2020 wurden bereits wichtige Schritte gemacht, etwa mit den Strategien zu Palliative Care, Demenz und Krebs. Zur besseren Koordination soll auch das elektronische Patientendossier beitragen.
Höhere Kosten befürchtet
Nach Ansicht des Bundesrats setzt die Initiative Fehlanreize, was zu höheren Kosten für die OKP und damit für die Prämienzahlenden führen würde. Eine nachträgliche Korrektur von solchen Fehlanreizen erweist sich in der Regel als äusserst schwierig. In Pflegeheimen oder auch bei Pflegebedürftigen zu Hause könnten Pflegefachpersonen bei der Abklärung, Beratung sowie Grundpflege selbstständig Leistungen ausführen und zulasten der OKP abrechnen. Damit bestünde ein Anreiz zur Mengenausweitung. In Pflegeheimen könnten Mehrkosten entstehen, weil pflegebedürftige Personen von den Fachpersonen in höhere Pflegestufen eingeteilt würden. In der ambulanten Krankenpflege werden die Pflegeleistungen nach geleisteten Arbeitsstunden abgerechnet; somit besteht vor allem in diesem Bereich ein finanzieller Anreiz, möglichst viele Leistungen zu erbringen.
Schliesslich geht der Bundesrat davon aus, dass die geforderte Gesetzesänderung eine Präjudizwirkung haben könnte. Andere medizinisch-therapeutische Fachpersonen (z.B. aus der Ergotherapie und Physiotherapie), die heute ebenfalls nur auf ärztliche Anordnung Leistungen erbringen, könnten dieselben Bedingungen fordern. Daraus könnten ebenfalls höhere Kosten resultieren. Deshalb soll keine weitere Berufsgruppe direkt zulasten der OKP Leistungen erbringen, solange keine Lösungen für eine bessere Koordination und eine langfristige Steuerung im Gesundheitswesen vorliegen.