Wie steht es eigentlich mit BSE?
Das Thema ist aus den Medien und damit aus unserem Bewusstsein verschwunden.
Heute hört man kaum noch etwas von der einst so gefürchteten Krankheit BSE. Bedeutet diese Stille in den Medien eine Ausrottung des Krankheitserregers oder ist eine späte Epidemie immer noch möglich, sogar wahrscheinlich?
Die Krankheit BSE oder im Volksmund häufig „Rinderwahn“ genannt, verunsichert auch heute noch viele Menschen beim Konsum von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen. Nachdem im Jahre 1996 mehrere Menschen an mit BSE infiziertem Fleisch starben, ging eine Welle der Angst und Verunsicherung durch Europa und die ganze Welt. Was viele nicht wissen: Die Krankheit an denen die Erkrankten starben ist nicht das BSE, sondern die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK), die menschliche Variante des „Rinderwahns“.
Die Krankheit BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie)
Der Name der Krankheit bedeutet deutsch übersetzt: schwammartige Hirnkrankheit des Rindes. Dabei handelt es sich um eine Tierseuche, welche die Prionproteinstruktur im Hirn von Rindern verändert und somit, aufgrund eines biochemischen Prozesses, die Degeneration des Gehirnes zur Folge hat. Bei fortgeschrittener Krankheit nimmt das Gehirn eine schwammartige durchlöcherte Struktur an. Diese Veränderung des Hirngewebes hat Verhaltensänderungen und Bewegungsstörungen zur Folge. Symptome sind Muskelzittern, Lärm- und Lichtempfindlichkeit, Aggressivität und Ängstlichkeit. Der Tod der kranken Rinder erfolgt innerhalb von wenigen Monaten. Die Inkubationszeit hingegen beträgt mehrere Jahre.
Die ersten Fälle wurden 1985 in England beobachtet. 1990 wurde der erste offizielle Fall in der Schweiz bestätigt. Der Höhepunkt mit 68 Fällen wurde 1995 erreicht. Die Seuche wurde durch konsequente Massnahmen eingedämmt und der letzte Fall in der Schweiz trat 2006 auf.
Da das Auftreten der Krankheit auf infektiöses Tiermehl zurückgeführt werden kann, gelten strenge Sicherheitsvorschriften zur Herstellung dieses Kraftfutters. So wurde in England 1988 verboten, tote Rinder zu Rinder-Futter (Tiermehl) zu verarbeiten. Wahrscheinlich führte diese Massnahme zu einem Rückgang der Epidemie ab 1993.
Eine weitere Massnahme zur Eindämmung der Epidemie ist die sorgfältige Entfernung von Hirn, Rückenmark und Milz bereits bei der Schlachtung. Dadurch soll das Risiko einer Übertragung auf den Menschen stark minimiert werden. Auch wurden Rinderdärme zur Wurstherstellung in Deutschland und Frankreich verboten. Es werden nur noch Rinderdärme aus Südamerika importiert und verarbeitet.
BSE ist nicht gleich CJK
CJK ist die Abkürzung von Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und bezeichnet die BSE-Erkrankung beim Menschen. Den Namen erhielt die Krankheit nach deren Entdeckung durch den Neurologen Hans-Gerhard Creutzfeldt, kurz vor dem Hamburger Neurologen Alfons Maria Jakob im Jahre 1920.
Unterschieden werden drei bisher bekannte Formen der Krankheit:
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Sporadische Prionerkrankung (sCJK)
Auslösende Faktoren der Krankheit sind Prionen. Hierbei handelt es sich um Proteine, die im Organismus normale (physiologische) als auch anormale (pathogene) Strukturen annehmen können. Bei der pathogenen Struktur handelt sich nicht um ein Lebewesen sondern um ein infiziertes Protein mit virusähnlichen Eigenschaften. Diese lösen mit grosser Wahrscheinlichkeit die CJK beim Menschen und das BSE beim Rind aus.
Die Erkrankung beginnt schleichend, setzt sich danach aber schnell fort. Der Erkrankte verliert fortschreitend seine motorischen und geistigen Fähigkeiten, da das Hirn wie beim BSE-erkrankten Rind degeneriert. Symptome sind motorisch Störungen, Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, Halluzinationen und Persönlichkeitsveränderungen mit Verwirrtheit bis hin zur Demenz. Die Erkrankung führt in der Regel innerhalb wenigen Monaten zum Tod.
Diese Form der Krankheit entsteht nicht durch Ansteckung mit infizierter Nahrung sondern durch eine Erkrankung im Zentralnervensystem. Der Erkrankungsgipfel ist beim 70. Lebensjahr.
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Genetische Prionerkrankung
Das fehlerhafte Prion-Protein ist bei dieser Krankheitsform durch eine familiäre Vererbung zustande gekommen. Die Erkrankungsdauer ist häufig länger als bei der sporadischen Variante.
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Neue Variante von CJK (vCJK)
Krankheitsbild und Verlauf sind fast gleich wie bei der Sporadische Prionerkrankung, doch die Ansteckung erfolgt aufgrund von Konsumation infizierter Nahrung und neben dem Zentralnervensystem ist auch das lymphatische Gewebe betroffen. Die Inkubationszeit kann bis zu mehrere Jahre betragen und die Krankheit ist durch einen längeren Verlauf gekennzeichnet. Die Möglichkeit zur Übertragung durch Bluttransfusionen ist noch nicht gänzlich bewiesen, wird aber stark befürchtet. Der Erkrankungsgipfel liegt bei ca. 28 Jahren.
Es bleibt zu sagen dass für alle Krankheitsformen keine Behandlungsmöglichkeit vorliegt. Sie enden in jedem Fall tödlich.
Die grosse Angst vor einer neuen Epidemie
Da die Inkubationszeit von vCJK sehr viele Jahre dauern kann, befürchten Wissenschaftler, dass in den nächsten Jahren mehr Menschen an vCJK erkranken
werden, welche den Erreger bereits in sich tragen. Die lange Inkubationszeit kann bisher nur aufgrund eines Vergleiches mit der nahe verwandten Kuru-Krankheit vermutet werden. Auch diese Krankheit wird durch die infektösen Proteine (Prionen) ausgelöst. Die Krankheit kommt ausschliesslich beim Fore-Stamm in Papua-Neuguinea vor. Bis vor 50 Jahren wurden deren verstorbene Angehörige rituell verspeist. Aufgrund der Tatsache dass dieser Kannibalismus in den fünfziger Jahren verboten wurde, kann man davon ausgehen, dass sich nach dem Jahre 1960 niemand mehr mit Kuru anstecken konnte. Zwischen 1996 und 2004 stiess man nun im betreffenden Gebiet in Papua-Neuguinea auf elf neue Kuru-Patienten, welche zwischen 34 und 65 Jahren nach dem wahrscheinlichen Infektionszeitpunkt starben. Bei zwei dieser elf Erkrankten wurde ein Gen festgestellt, welches zu einem früheren Tod führt. Da aber der grösste Teil der Weltbevölkerung diese Genmarkierung nicht besitzt und bei einer BSE-Erkrankung, im Gegensatz zur Kuru-Krankheit, die Artenbarriere überwunden werden muss, rechnen Wissenschaftler mit einer noch sehr viel längeren Inkubationszeit bei vCJK im Vergleich zur Kuru-Krankheit.
Ausserdem besteht die Befürchtung einer hohen Ansteckungsrate in den kommenden Jahren. Die Gefahr bestehe vor allem durch infizierte Bluttransfusionen. Aufgrund der langen Inkubationszeit (bis zu 50 Jahre) und den, in dieser Zeit symptomfreien Erkrankten, könnte jede Bluttransfusion eine Erregerquelle darstellen.
Auf der anderen Seite stehen aber auch viele Forscher dieser Befürchtung kritisch gegenüber. So zum Beispiel Christoph Mohs, Oberarzt der Neurologischen Klinik des Krankenhauses Nordwest in Frankfurt. Er gibt zu, dass eine künftige Creutzfeldt-Jakob-Epidemie nicht auszuschliessen sei, jedoch auch nicht genügend Beweismaterial für diese Angst machende Schlussfolgerung vorliege. Es gäbe bisher nur ganz wenige Fälle, bei denen der Zusammenhang zwischen BSE und Creutzfeldt-Jakob-Krankheit nachgewiesen werden konnte. Die Inkubationszeit sei in diesen Fällen ausserdem sehr kurz gewesen.
Es wird klar, dass die genaue Inkubationszeit von vCJK wissenschaftlich noch nicht bewiesen werden konnte und die Schätzungen legendlich auf einem Vergleich zur Kuru-Krankheit beruht. Dadurch kann eine bevorstehende Epidemie zwar befürchtet, aber nicht bestätigt werden. Es bleibt nur abzuwarten und eine mögliche weitere Ansteckung von Mensch zu Mensch und von Rind zu Mensch durch geeignete Massnahmen zu verhindern.
Massnahmen zur Verhinderung einer Epidemie
Um die Übertragung vom Rind auf den Menschen zu verhindern wurden in den letzten Jahren viele Massnahmen getroffen, welche oben im Text zum Teil schon kurz erwähnt wurden. Neben diesen, werden auch Massnahmen gegen die gefürchtete Übertragung durch Bluttransfusionen getroffen.
Eine Möglichkeit wäre laut David M.Asher, Chief Medical Officer Aufsichtsrat der FDA-Abteilung für durch Transfusion übertragene Krankheiten im Zentrum von Biologics Evaluation und Forschung (CBER) die Entsorgung von möglicherweise infiziertem Spenderblut. Dazu gehört Blut, welches von Personen gespendet wurde, welche zwischen 1980 und 1996 Zeit im Vereinigten Königreich verbracht haben. Diese Massnahme würde das Risiko einer Ansteckung zwar mindern, hätte aber einen sehr grossen Verlust an kostbarem, vielleicht nicht infiziertem Blut zur Folge.
In der Schweiz haben Swissmedic (Zuständig für die Sicherheit von Blut und Blutprodukten) und die Blutspenderdienste in enger Zusammenarbeit Massnahmen zur Risikosenkung der Mensch-zu-Mensch-Übertragung getroffen:
- Ein klar festgelegtes Vorgehen zum Rückruf der Blutprodukte bei Herausstellung einer Erkrankung des Spenders an vCJK/CJK (seit 1997)
- Ausschuss von potenziellen Spendern in folgenden Fällen:
- Familiäres Vorkommen von Prion-Erkrankungen
- Transplantationen (vor allem Hirnhaut und Hornhaut)
- Operationen an Rückenmark und/oder Hirn
- Aufenthalt von mind. 6 Monaten in Grossbritannien zwischen 1980 und 1996
- Spender die selbst seit 1980 Bluttransfusionen erhalten haben (seit 2004)
- Entfernung der weissen Blutzellen (Leukozyten-Depletion) aus allen Blutspenden, da die Erreger möglicherweise mit den weissen Blutzellen assoziiiert sind (seit 1999)
- Keine Blutprodukte aus Grossbritannien (seit 1998)
- Alle Prion-Erkrankungen sind in der Schweiz meldepflichtig (seit 1987), ebenfalls Verdachtsfälle (seit 1990)
Die meisten dieser Massnahmen wurden rein vorsorglich eingeführt, da in der Schweiz bis heute noch keine vCJK-Fälle gemeldet wurden. Doch aufgrund der Beobachtungen von zwei Fällen einer möglichen Übertragung des Erregers durch Bluttransfusion in Grossbritannien, sind diese Massnahmen sicher legitim und die Vorsicht berechtigt.
Ein Test zur Untersuchung jeder Blutspende auf allfällige Prionen ist noch nicht verfügbar. Es wird allgemein empfohlen, Transfusionen nur dann einzusetzen, wenn sie dringend notwendig sind.
Quellen:
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Creutzfeldt-Jakob-Krankheit >>
Artikel "Die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) des Rindes und deren Übertragbarkeit auf den Menschen" >>
Leuning R.: "Creutzfeldt-Jakob-Epidemie denkbar" via pressetext.ch >>
Epidemiologisches Bulletin vom Robert-Koch Institut >>